Branchentag
Einlass und Begrüßungskaffee in der Ausstellung | Keynote: Was das Land Baden-Württemberg tun muss, damit schnell mehr Windparks gebaut werden | Impuls: Den Windenergieausbau im Land weiter ...

Welche landesspezifischen Herausforderungen stellen sich in Baden-Württemberg aus Sicht eines Projektierers?

Michael Class: Zuerst ein Lob: Durch die konzertierte Aktion der Regionalen Planungsoffensive wird das vom Bund für den Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg verbindlich vorgegebene Flächenziel von 1,8 Prozent ohne weitere Zwischenschritte umgesetzt.

Aber in der Tat, die Entwicklung der Windenergie in "The Länd" schreitet derzeit langsamer voran, als wir es uns wünschen. Dies wird besonders deutlich, wenn wir uns die aktuellen Zahlen vor Augen führen: Wir haben derzeit rund 770 Windenergieanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von 1,8 Gigawatt in Baden-Württemberg in Betrieb. Im ersten Quartal des Jahres 2024 kamen lediglich zwei neue Anlagen hinzu, und es wurden 21 Genehmigungen für weitere Anlagen erteilt. Diese Zahlen spiegeln eine unnötige Zurückhaltung wider, die endlich aufgebrochen werden muss.

Siedlungsstruktur und Veränderungsängste

Die Herausforderungen, denen wir uns in Bezug auf den Ausbau der Windenergie stellen müssen, sind vielschichtig. Zum einen spielt die Siedlungsstruktur eine Rolle, die in Baden-Württemberg eine flächendeckende und gleichmäßige Verteilung von Windkraftanlagen erschwert. Zum anderen gibt es immer noch hinsichtlich Erneuerbarer Energien Veränderungsängste in der Bevölkerung, die durch Aufklärung und Dialog abgebaut werden müssen, um eine breitere Akzeptanz für die Windenergie zu schaffen.

Instrumentalisierung des Auerhuhns

Ein spezifisches Problem im Ländle stellt das Auerhuhn dar. Im Schwarzwald muss das Auerhuhn herhalten, wenn es um die Ablehnung von Windrädern geht. Das Aussterben des Auerhuhns hat aber mit Windkraft nichts zu tun. Hier müssen wir sorgfältig abwägen und Lösungen finden, die sowohl den Artenschutz als auch den Ausbau erneuerbarer Energien berücksichtigen. Hier wurde mit sehr veralteten und damit falschen Ausgangsbedingungen für die Ausschlussgebiete gearbeitet. Es wird uns und dem Auerhuhn nichts nützen, Windkraft auf Flächen auszuschließen, wo Auerhühner derzeit nicht vorkommen und auch in Zukunft wohl nicht mehr vorkommen werden.

Schließlich ist auch die baden-württembergische Topografie eine Herausforderung, da sie den Bau und die Anbindung von Windkraftanlagen komplizierter macht. Trotz dieser Hindernisse müssen wir den Ausbau der Windenergie vorantreiben, um unsere Klimaziele zu erreichen und eine nachhaltige Energieversorgung sicherzustellen.

Was muss aus Ihrer Sicht noch getan werden, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg schneller voranzutreiben?

Michael Class: Die Lösung der genannten Probleme muss einfach schneller gehen. Zudem kommen wir bei der Verkürzung der Genehmigungszeiten nicht richtig voran. Es gibt zwar einzelne Landratsämter, die erkennbar einen Gang hochgeschalten haben, aber in der Breite ist das eben noch nicht so. Ich wünsche mir außerdem generell mehr Ambition der Bundesnetzagentur für Ausschreibungen. Für Mai 2024 wurde das Volumen auf nur rund 2800 MW gesenkt, obwohl Tausende von MW noch ohne Zuschlag sind.

Das Solarpaket bewerten wir grundsätzlich positiv, z.B. die Verlängerung der EU-Notfallverordnung bis Mitte 2025. Bei der essenziellen Duldungspflicht für Stromleitungen und alle Erneuerbaren ist das Paket leider nur beschränkt für Grundstücke im (mehrheitlich) öffentlichen Eigentum. Die Duldungspflicht für Überschwenkung und Überfahrt von Grundstücken bei Errichtung von Windenergieanlagen ist ebenfalls nur für öffentliche Flächen vorgesehen, was sehr nachteilhaft für EE-Projekte ist. Das muss schnellstmöglich auf private Flächen erweitert werden. Am besten in einem Solarpaket II noch dieses Jahr.

Umsetzung der RED III positiv

Auch die nationale Umsetzung der RED III ist positiv zu bewerten: Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung, Flora-Fauna-Habitat- und artenschutzrechtliche Prüfung auf Genehmigungsebene, Möglichkeit der Ausnahme nach dem Screening-Verfahren, Nebenanlagen ohne UVP-Pflicht, Anordnung der Minderungsmaßnahmen erfolgt auf Genehmigungsebene.

Einige Anregungen könnten sein: Die Konkretisierung der einzelnen Gebietsarten und auch der unbestimmten Rechtsbegriffe in den Begriffsbestimmungen des Gesetzes. Auch die Absicherung des Bundesleitfadens durch eine Ermächtigungsgrundlage und einen Zeitplan wäre hilfreich. Und gerade vor dem Hintergrund der akkuraten Umsetzung der Zahlensystematik ist es von großer Bedeutung, dass das im Planungs- und Beschleunigungspakt der Länder angekündigte digitale Portal für Umweltdaten rasch umgesetzt wird, um die Verfügbarkeit von Umwelt- und Artenschutzdaten zu verbessern.