Der Ausbau von Batteriegroßspeichern hat europaweit stark an Dynamik gewonnen – allein in Deutschland wurden ambitionierte Ziele von 24 Gigawatt (GW) bis 2037 und 43-45 GW bis 2045 gesetzt (Ref. Netzentwicklungsplan Szenario B).

Batteriegroßspeicher spielen eine essenzielle Rolle für die Energiewende, nicht zuletzt, weil sie die Netzstabilisierung sicherstellen: Eine konstante Stromfrequenz von 50 Hz im europäischen Stromnetz ist unerlässlich für den sicheren Betrieb und die Integrität des gesamten Systems- bereits kleine Abweichungen können zu schwerwiegenden Störungen führen. Glücklicherweise passiert dieses nicht häufig, denn Batteriegroßspeicher sind in der Lage, innerhalb von Millisekunden Leistung zu liefern und avancierten so zu einem unverzichtbaren Element der Primär- und Sekundärregelungsstrategie.

Wie kann der Ausbau von Batteriegroßspeichern weiter vorangetrieben werden?

Herausforderungen

In der Vergangenheit wurden Batteriegroßspeicher hauptsächlich für die Bereitstellung von Primärregelleistung eingesetzt, wodurch sie jedoch stark von den Preisschwankungen und dem limitierten Volumen in diesem spezifischen Markt abhängig wurden.

Diese einseitige Abhängigkeit vom Markt begrenzt nicht nur die Möglichkeiten der Erträge, sondern erhöht auch das finanzielle Risiko für Betreiber, wodurch die Bereitstellung von Primärregelleistung eher zu einer Opportunität für einen Speicher wird. Besonders für ältere Energiespeichersysteme, deren Design und Garantiebedingungen speziell auf diese Art der Leistungsbereitstellung abzielt, ergibt sich eine herausfordernde Lage, da ihre Anwendungsmöglichkeiten begrenzt sind.

Demgegenüber stehen neuere Speicherlösungen mit mehr Kapazität und Möglichkeiten der Zyklisierung, die durch ihre Flexibilität nicht allein auf die Primärregelleistung angewiesen sind und somit vielseitiger einsetzbar bleiben.

 

Chancen durch Multi-Market-Trading

Durch sogenanntes Multi-Market-Trading können Speicher flexibel auf verschiedene Marktereignisse reagieren und  – ähnlich wie bei der Streuung eines Portfolios – unterschiedliche Einnahmequellen erschließen. Hier wird nicht nur der Großhandelsstrommarkt berücksichtigt, sondern auch Märkte für Primärregelenergie (Frequency Containment Reserve, FCR), Sekundärregelenergie (automatic Frequency Restoration Reserve, aFRR) und Kapazitätsmärkte.

Der Primärregelleistungsmarkt ist besonders spannend, weil eine hohe Bereitschaft und geringe Nutzung der Speicherkapazitäten erforderlich sind. Um effektiv auf Frequenzabweichungen reagieren zu können, muss die Primärregelleistung binnen 30 Sekunden vollständig aktivierbar sein und die Kapazität der Speicher wird nur selten voll ausgeschöpft, da die Frequenz im europäischen Stromnetz in der Regel nur geringfügig schwankt.

Ergänzend zur Primärregelleistung dient die Sekundärregelleistung dazu, das Gleichgewicht wiederherzustellen und die Frequenz auf ihren Sollwert zurückzuführen. Für diese Aufgabe sind spezielle Frequency Restoration Reserves (FRR) Regler in jeder Regelzone zuständig, die eine fein abgestimmte Kontrolle ermöglichen.

 

Day-Ahead-Auctions

Day-Ahead-Auctions stellen insbesondere im Kontext der Direktvermarktung von erneuerbaren Energien einen zentralen Mechanismus dar. Diese Auktionen ermöglichen es, Stromerzeugungskapazitäten, die für den nächsten Tag erwartet werden, bereits im Voraus zu handeln. Ein wesentliches Element dabei ist die Prognose der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, die bis 12 Uhr mittags des Vortages erstellt und anschließend gehandelt wird.

Ein charakteristisches Merkmal der Day-Ahead-Auctions ist die Festlegung von Preisgrenzen. Die Preise für den gehandelten Strom können zwischen -500 Euro und maximal 4.000 Euro pro Megawattstunde (MWh) schwanken. Diese Bandbreite ermöglicht es, auf eine Vielzahl von Marktsituationen zu reagieren, von Überangebot, das zu negativen Preisen führen kann, bis hin zu Knappheitssituationen, die hohe Preisspitzen verursachen.

Die Auktionen werden in 60-Minuten-Schritten durchgeführt, was bedeutet, dass für jede Stunde des folgenden Tages ein separater Handel stattfindet. Diese stündliche Differenzierung ermöglicht eine präzise Anpassung an die erwartete Stromnachfrage und das Stromangebot über den Tag verteilt und trägt zur Stabilität und Effizienz des Stromnetzes bei.

Batteriespeicher können zu Zeiten hoher Produktion aus Erneuerbaren zu günstigen Preisen geladen werden und zu Zeiten geringer Produktion und hoher Nachfrage Energie bereitstellen. Dadurch verdrängen Batteriespeicher konventionelle Kraftwerke mit höheren Grenzkosten aus dem Markt und beschleunigen die Energiewende.

 

Intraday-Auctions

Intraday-Auctions bieten mit Auktionszeiten um 15 Uhr in 15-Minuten-Schritten eine Möglichkeit zur Feinabstimmung des Energiehandels nach Abschluss der Day-Ahead-Auctions. Sie dienen dazu, die Balance zwischen Angebot und Nachfrage für 15-Minuten-Intervalle herzustellen. Für Betreiber von Batteriespeichern eröffnet sich hier ein Feld mit erheblichem Umsatzpotential, da die Preisvolatilität innerhalb des Tages genutzt werden kann, um Energie zu niedrigeren Preisen einzuspeichern und zu Spitzenpreisen wieder abzugeben (Energy Shifting). Für eine erfolgreiche Teilnahme an Intraday-Auctions ist die Fähigkeit, Preisschwankungen – sogenannte Spreads – zu identifizieren und zu nutzen, entscheidend. Ein weiteres fortgeschrittenes Konzept im Rahmen des Intraday-Handels ist die Identifizierung von Cross Market Spreads. Dies bezieht sich auf die Ausnutzung von Preisunterschieden zwischen z.B. der Day-Ahead-Auktion und der Intraday-Auktion. Ein solches Vorgehen ermöglicht es Händlern, die Volatilität des Marktes zu ihrem Vorteil zu nutzen und zusätzliche Erträge zu generieren. Dies erfordert präzise Preisvorhersagen und ein tiefes Verständnis der Marktdynamiken.

 

Continous-Intraday-Trading

Beim Continous-Intraday-Trading können Energieprodukte bis kurz vor Zeitpunkt der physischen Lieferung gehandelt werden. Diese Flexibilität ist von entscheidender Bedeutung, nicht nur für die Erhöhung der Liquidität, sondern auch für einen verbesserten Umgang mit Erneuerbaren. Der Betrieb von Speichern ermöglicht es, kurzfristig auf wetterbedingte Schwankungen zu reagieren und aus der Volatilität des Marktes einen finanziellen Mehrwert zu generieren.

 

Batteriespeicher sind softwaredefinierte Anlagen

Batteriespeicher spielen eine Schlüsselrolle in der Energiewende und der Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung. Sie ermöglichen eine unmittelbare Reaktion auf Markt- und Wetterereignisse, ohne in der kritischen Phase vor der Lieferung auf eine Anpassung der Marktposition angewiesen zu sein.

Betreiber stehen vor vielfältigen Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Abhängigkeit von schwankenden Marktdynamiken und den begrenzten Ertragsmöglichkeiten in spezifischen Märkten wie der Primärregelleistung. Die Entwicklung hin zu Multi-Market-Trading-Ansätzen zeigt jedoch vielversprechende Möglichkeiten auf: Durch die Diversifizierung der Einnahmequellen und die Nutzung fortschrittlicher Handelsstrategien können Speicherbetreiber ihre Einnahmemöglichkeiten erweitern und das finanzielle Risiko minimieren.

Die Überwindung von Marktvolatilitäten und finanziellen Risiken und die erfolgreiche Teilnahme an diesem komplexen Marktumfeld erfordert jedoch innovative Geschäftsstrategien und fortschrittliche Optimierungssoftware, die nicht nur die Einsatzplanung von Speichern dynamisch anpassen kann, sondern auch Marktsignale in Echtzeit berücksichtigt. Mit solchen Technologien können Speicherbetreiber das Potenzial ihrer Anlagen voll ausschöpfen, zur Stabilisierung der Energieversorgung beitragen und ihre Gewinne maximieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass Batteriespeicher softwaredefinierte Anlagen sind, je besser die Software ist, desto besser bzw. effizienter ist der Betrieb und desto höher sind die Erlöse.

Autarke Energiespeicher haben einen eigenen Netzanschlusspunkt, ohne direkte Verbindung zu einer spezifischen Energieerzeugungsquelle, und bieten Flexibilität in der Standortwahl und im Betrieb, sind aber möglicherweise bei der Nutzung von Synergien mit erneuerbaren Energiequellen nicht so effizient. Im Gegensatz teilen sich integrierte Speicher physisch und funktionell mit anderen Energieerzeugungsanlagen, wie Photovoltaik- oder Windraft-Anlagen, den Netzanschlusspunkt. Hierbei ist entscheidend, ob die Summe aus Peakleistung und Nennleistung des Speichers kleiner als die Netzanschlussleistung ist, was eine unabhängige Vermarktung ermöglicht. Hier wird das Batterieenergiespeichersystem (BESS) wie ein autarker Speicher behandelt. Integrierte BESS und EE-Anlagen, bei denen die Summe aus Peakleistung und Nennleistung größere ist als die Netzanschlussleistung beeinflussen sich gegenseitig und sollten daher gemeinsam vermarktet werden.

Dieser Beitrag erscheint in der Photovoltaik-Sonderausgabe des BWE-BetreiberBriefs 1/2024.

 

Über den Autor

Dr. Lennard Wilkening ist Mitbegründer & CEO der suena GmbH, einem innovativen Unternehmen, welches sich auf die softwarebasierte Flexibilitätsvermarktung von Energiegroßspeichern und erneuerbare Energien spezialisiert hat. Mit einem Doktortitel im Bereich der elektrischen Energiesysteme und mit über 8 Jahren Erfahrung in der Batteriespeicheroptimierung und dem algorithmischen Stromhandel gilt er als angesehener Experte.

 


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