Mit dem „Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Erneuerbaren Energien im Städtebaurecht“ hat der Bundestag die großen Herausforderungen der aktuellen Zeit – Klimaschutz und Versorgungssicherheit – adressiert, unter anderem mit der Ergänzung von § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB. Nach diesem sind seit dem 1. Januar 2023 PV-Anlagen im Außenbereich privilegiert, wenn sie u. a. auf einer Fläche längs von Autobahnen oder Schienenwege des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern errichtet werden sollen. Damit ist die Zulässigkeit einer PV-Anlage im Außenbereich grundsätzlich nicht mehr vom Vorhandensein eines Bebauungsplans abhängig. In der Folge wirkt sich die Gesetzesänderung unmittelbar auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere auf die bauplanungs- sowie bauordnungsrechtliche Zulässigkeit einer PV-Anlage aus – mit Vor- und Nachteilen, wie ein Vergleich der alten und neuen Rechtslage (Schaubild zum Abschluss) zeigt:

Die Außenbereichsprivilegierung gem. § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) BauGB

Zukünftig sollen PV-Freiflächenanlagen unter bestimmten Voraussetzungen im Außenbereich privilegiert zulässig sein. Hierfür wurde § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB um die Variante Nr. 8 b) erweitert. Sie lautet nunmehr:

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es [...]

8. der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient

b) auf einer Fläche längs von

aa) Autobahnen oder

bb) Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn.

Längs von Autobahnen und Schienenwegen des übergeordneten Netzes

Eine Autobahn ist jede Fernstraße, die nur für den Schnellverkehr bestimmt und so angelegt ist, dass sie frei von höhengleichen Kreuzungen und für Zu- und Abfahrt mit besonderen Anschlussstellen ausgestattet sind. Sie sollen überdies getrennte Fahrbahnen für den Richtungsverkehr haben.1 Die Schienenwege des übergeordneten Netzes zählen grundsätzlich als Teil des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums genutzten Eisenbahnnetzes. Ausgenommen sind Eisenbahninfrastrukturen im Privateigentum (etwa Werksbahnen) oder Infrastrukturen, die ausschließlich für touristische Zwecke genutzt werden.2

Die Formulierung „200 Meter, gemessen vom äußeren Fahrbahnrand“ ist an § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 c) EEG 2023 (bzw. dessen Vorgängervorschriften) angelehnt und meint die Bemessung ab dem äußeren Rand der befestigten Verkehrsfläche, die von Kraftfahrzeugen genutzt wird.3 Im Bereich von Bundesfernstraßen ist hierbei der Bauschutzbereich von 40 Metern gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 FStrG zu beachten. Das Fernstraßenbundesamt (FBA) hat in seiner Handreichung vom 31. Januar 2023 jedoch klargestellt, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nunmehr im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen in der Anbauverbotszone ist demnach grundsätzlich möglich. Als befestigte Fahrbahn bei Schienenwegen gilt die äußere Kante des Gleisbettes unabhängig davon, ob sie als Schotterbett oder aus Beton ausgeführt ist.4

Rechtsfolge und Auswirkung der Privilegierung

Die ausdrückliche Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers zugunsten von PV-Freiflächenanlagen wirkt sich sowohl bauplanungs- wie auch bauordnungsrechtlich aus.

Bauplanungsrecht

Grundsätzlich entspricht es der gesetzlichen Leitvorstellung, den Außenbereich von baulichen Anlagen freizuhalten. Einige Vorhaben sind jedoch ihrem Wesen nach ausschließlich dem Außenbereich zuzuordnen, wes-halb sie in § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert werden. Derartige Vorhaben sind immer dann bauplanungsrechtlich zulässig, wenn ihnen keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Welche öffentlichen Belange einem Vorhaben entgegenstehen können ist in § 35 Abs. 3 BauGB beispielhaft – und nicht abschließend – aufgeführt. Für PV-Freiflächenanlagen können insoweit insbesondere entgegenstehende Ausweisungen in Flächennutzungsplänen gem. § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB oder Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (und Denkmalschutz) relevant sein. Letztlich sind hier die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, weshalb keine pauschale Aussage getroffen werden kann.

Die in Bezug auf die Windenergie so konfliktträchtige positive Standortzuweisung in Flächennutzungsplänen bzw. auf der Ebene der Raumordnung, gilt nicht für den neu eingeführten § 35 Abs. 1 Nr. 8) BauGB.

Allerdings sind die Vorgaben der Regionalplanung auch außerhalb der posi-tiven Standortzuweisung zu berücksichtigen. So normiert § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB, dass raumbedeutsame Vorhaben (PV-Freiflächenanlagen werden regelmäßig dazuzählen) den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen dürfen, sog. Raumordnungsklausel.5 Zu differenzieren ist hierbei zwischen Zielen (verbindlich) und Grundsätzen (nicht verbindlich, sondern lediglich abwägungsrelevant) der Raumordnung. Da es sich bei den Zielen der Raumordnung zumeist um untergesetzliche Rechtsnormen handelt, dürfen diese auch nicht im Widerspruch zu höherrangigem Bundesrecht stehen.

Im Hinblick auf die ohnehin nur im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden Grundsätze der Raumordnung werden sich entgegenstehende Festsetzungen wegen der nunmehr ausdrücklichen Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) BauGB zukünftig kaum mehr durchsetzen können.

Bauordnungsrecht

Im Bauordnungsrecht wirft insbesondere die Frage nach der Reichweite der Baugenehmigung und damit einhergehend nach dem Umfang der im Genehmigungsverfahren beizubringenden Unterlagen Probleme auf.

Reichweite der Baugenehmigung

Nach den Landesbauordnungen ist für die Errichtung einer PV-Frei-flächenanlage grundsätzlich eine Baugenehmigung erforderlich, vgl. etwa § 59 Abs. 1 SächsBO. Der von der Behörde anzulegende Prüfungsmaßstab ist dabei verfahrensabhängig (vereinfachtes oder förmliches Genehmigungsverfahren). In der Regel wird für PV-Freiflächenanlagen nur ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchzuführen sein. 

Bauordnungsrecht

Im Bauordnungsrecht wirft insbesondere die Frage nach der Reichweite der Baugenehmigung und damit einhergehend nach dem Umfang der im Genehmigungsverfahren beizubringenden Unterlagen Probleme auf.

Reichweite der Baugenehmigung

Nach den Landesbauordnungen ist für die Errichtung einer PV-Frei-flächenanlage grundsätzlich eine Baugenehmigung erforderlich, vgl. etwa § 59 Abs. 1 SächsBO. Der von der Behörde anzulegende Prüfungsmaßstab ist dabei verfahrensabhängig (vereinfachtes oder förmliches Genehmi-gungsverfahren). In der Regel wird für PV-Freiflächenanlagen nur ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchzuführen sein.

Anders als die immissionsschutzrechtliche Genehmigung hat die Baugenehmigung jedoch keine mit § 13 BImSchG vergleichbare Konzentrations-wirkung. Sind also für das Vorhaben noch weitere Genehmigungen – bspw. zur Waldumwandlung – erforderlich, ist u. U. ein weiterer Antrag zu stellen. Je nach Bundesland werden jedoch verschiedene Entscheidungen im Baugenehmigungsverfahren auf die untere Bauaufsichtsbehörde übertragen. So tritt etwa in Sachsen an die Stelle der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde gegenüber der Genehmigungsbehörde. Welche Genehmigung zusätzlich durch den:die Vorhabenträger:in zu beantragen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist länderspezifisch zu beurtei-len. Grundsätzlich werden die betroffenen Fachbehörden jedoch durch die Genehmigungsbehörde zumindest angehört werden.

Beizubringende Unterlagen

Diese Verschiebung der Prüfungsebene hat Auswirkung auf die durch den:die Antragsteller:in beizubringenden Unterlagen. Auch hier können auf Grund der Individualität jedes Vorhabens kaum pauschale Aussagen getroffen werden. Gewisse Mindestanforderungen werden allerdings in sämtlichen Bundesländern erforderlich sein. Diese umfassen etwa Lagepläne, Baubezeichnung- und Beschreibung sowie die erforderlichen Sicherheitsnachweise.6 Zudem müssen – wie oben dargestellt – alle weiteren Belange (z.B. Artenschutz, Denkmalschutz etc.) anhand der ein-gereichten Unterlagen prüffähig sein – ein nicht zu unterschätzender und oftmaliger Streitpunkt zwischen Behörden und Projektierer:innen.

Fazit: Positive Tendenz muss sich in der Praxis bewähren

Grundsätzlich ist die gesetzgeberische Entscheidung, PV-Anlagen ähnlich wie Windenergieanlagen im Außenbereich zu privilegieren, positiv zu bewerten. Allerdings bleiben begründete Zweifel, ob hierin wirklich der erhoffte „Turbo“ für den Ausbau der Erneuerbaren Energien gelungen ist. Denn im Grunde findet weitestgehend lediglich eine Verschiebung vieler materieller Prüfungspunkte vom bisher bekannten Planaufstel-lungsverfahren hin zum Genehmigungsverfahren statt. Inwieweit die Genehmigungsbehörden – personell und fachlich – hierauf eingestellt sind, bleibt abzuwarten.


Fußnoten:

1 § 1 Abs. 3 FernStrG.
2 § 2b Abs. 1 AEG.
3 Clearingstelle EEG, Hinweis v. 28.02.2012 Az. 2011/8 S. 22.
4 Clearingstelle EEG, Hinweis v. 28.02.2012 Az. 2011/8 S. 24.
5 Müller/Burtin, in: Maslaton, Handbuch der Photovoltaik, 3. Aufl. 2021, S. 41.
6 § 12 Abs. 3 SächsDSchG.
7 vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 DV SächsBO.

Dieser Beitrag wurde erstmalig im PV BetreiberBrief 1/2023 veröffentlicht.