Bundestag und Bundesrat haben ihre Beschlüsse gefasst, bestehende Ge­setze ergänzt und neue verabschiedet. Nun müssen die neuen Rechtsvor­schriften, zum Beispiel das Naturschutzrecht angewendet werden. Viele Projekte wurden wegen unüberwindlicher naturschutzrechtlicher Hürden zurückgestellt. Dabei gab es häufig keine Sachgründe, sondern formale, die gegen Windkraftprojekte ins Feld geführt wurden, zum Beispiel die Lage im Landschaftsschutzgebiet.

Nicht selten gab es folgende Konstellation: Auf der Suche nach Flächen für Windprojekte wird ein Projektbereich gefunden. Er liegt in weiter Entfernung zu Ortschaften und Wohngebäuden, der Wind weht gut, die Flächeneigentümer sind interessiert, der Bürgermeister kann sich eine Projektbeteiligung von Bürger und Kommune vorstellen, mit der Raum­ordnung gibt es auch keine Probleme, aber mit dem Naturschutz. Denn es handelt sich um ein Landschaftsschutzgebiet. Die LSG­Verordnung beschreibt das gesamte Schutzgebiet als landschaftlich wertvoll, reich strukturiert und von hohem Erholungswert. Die Ortsbesichtigung zeigt aber, dass der Projektbereich landwirtschaftlich intensiv genutzt und arm an natürlichen Strukturelementen ist. Zudem zieht sich eine Hoch­spannungsleitung durch das Gebiet, ebenso Straßen und einen großen Mastbetrieb gibt es auch. Dies wird der Naturschutzbehörde vorgetra­gen, verbunden mit der Frage, ob hier wirklich noch ein LSG vorhanden ist und wenn ja, ob mit einer Ausnahmegenehmigung zu rechnen ist. Die Behörde spricht von einem großräumigen Landschaftsschutzkomplex wechselnder Qualitäten, der insgesamt zu betrachten und zu schützen ist und aus formalen Gründen allein wegen der bloßen Existenz der LSG­Verordnung keinen Windpark erlaube. Abheften und vergessen? Das sollte man nicht, denn jetzt gibt es den im Hinblick auf die LSG­Problema­tik wichtigen neuen Absatz 3 im § 26 BNatSchG.
Mit diesem Absatz, der zwar erst am 01.02.2023 in Kraft tritt, ist schon jetzt der Zeitpunkt gekommen, alle alten aus Landschaftsschutzgründen stillgelegten Projekte einer Revision zu unterziehen und möglichst wieder neu in Gang zu bringen. Dies ist vor allem dann erfolgversprechend, wenn wie so oft lediglich aus rein formalen LSG­Gründen das Projekt von den Behörden als nicht genehmigungsfähig eingestuft wurde. In diesen Fällen lohnt es sich, schnell wieder in die Projektentwicklung einzusteigen.

Wurde die Projektentwicklung aus besagten formalen Gründen in einem sehr frühen Stadium abgebrochen, also noch kein behördliches Verfahren in Gang gesetzt, bietet es sich als eine Möglichkeit an, die amtliche Fest­stellung der UVP­Pflicht und die Anberaumung eines UVP­Scopingtermins bei der Genehmigungsbehörde zu beantragen – auch wenn es sich nur um wenige Anlagen handeln sollte, für die keine UVP­Pflicht besteht. Inzwischen hat es sich in der Windbranche herumgesprochen, dass es ratsam ist, auch bei wenigen Anlagen eine vollumfängliche UVP durch­zuführen. Wichtig dabei ist, dass ein behördliches Verfahren erneut oder überhaupt erst anläuft und damit der Dialog mit den Behörden als Ver­fahrensbestandteil und mit Protokoll eröffnet wird. Der Scopingtermin bietet die Gelegenheit, mit allen relevanten Stellen das Projekt zu be­sprechen und herauszufinden, wie unter den geänderten gesetzlichen Bedingungen die Chancen stehen.

Mit der Genehmigungsbehörde einen konstruktiven Dialog zu eröffnen, verlangt eine Kombination aus Fingerspitzengefühl und freundlicher Bestimmtheit. Wir sollten jetzt davon ausgehen, dass alle Akteure die Botschaft verstanden haben und bereit sind, die neuen windkraftfreund­lichen Vorgaben umzusetzen – möglichst schnell und unbürokratisch. Diese Position machen wir deutlich, indem wir jetzt und nicht erst irgendwann die nächsten Schritte im Projektverlauf mit der Genehmigungsbehörde absprechen. Dabei dürfte es völlig kontraproduktiv sein, die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Hand von vornherein in die Ecke der Windkraftgegner zu stellen, selbst wenn frühere Erlebnisse diesen Eindruck erwecken konnten. Die Mitarbeiterschaft des öffentlichen Diens­tes steht plötzlich unter dem Druck neuer konkreter politischer Vorgaben zugunsten der Windenergie. Kombiniert mit der Anwendung geänderter Rechtsvorschriften und völlig neuer Gesetze bei gleichzeitiger Verpflich­tung, Genehmigungsentscheidungen herbeizuführen, die Bestand vor den Gerichten haben, ist eine ausgesprochen schwierige, belastende Arbeitssituation. Dies erfordert, dass seitens der Projektentwicklung diese Lasten möglichst geringgehalten werden.

Wie könnte das gehen, kurzfristig und im notwendigerweise hohen Tempo?

Es kann gelingen, wenn wir Behörden, Betreiber und Verbände „zusam­men denken“ und zu einem projektorientierten Miteinander im Sinne eines Teams bewegen. Das ist eine herausfordernde Aufgabe, nicht ohne psychologische Hürden – ein auf enge Zusammenarbeit ausgelegtes Ko­operationsmodell, um Projektentwicklung und Zulassungsverfahren auf Tempo und Zielerreichung zu bringen.

Dazu gehört unternehmensseitig unabdingbar der interne Jour fixe, ein im kurzen Zeittakt regelmäßig stattfindender Besprechungstermin der Beteiligten. Er garantiert, dass keine Sachverhalte unbesprochen bleiben. Vor allem ist er Taktgeber für eine Projektentwicklung ohne Verzögerun­gen. Jeder Jour fixe wird protokolliert und ist damit Handlungsgrundlage für den Zeitraum bis zum nächsten Termin.

Die Windbranche ist angetreten und in der Lage, sich durch die Realisie­rung möglichst vieler neuer Windparks der Klimaverschlechterung wirk­sam entgegenzustemmen. Damit erhält sie eine einzigartige Position im gesellschaftlichen Kontext, denn nur sie „kann Windenergie“. Was nützen noch so viele Schutzgebiete, wenn aufgrund des immer heißer werden­den Klimas die Schutzgüter verdorrt und gestorben sind?

Was nützt die unsinnige zeitraubende Beschäftigung mit einem nicht vor­handenen signifikanten Tötungsrisiko für den Rotmilan, wenn sich genau diese Vögel künftig auf den Weg nach Nordeuropa machen, weil hierzu­lande der Hochlauf der Windenergie und damit der nachhaltige Schutz der Populationen ausgebremst wird?
Darum: Kein Projekt liegen lassen, jetzt auf die Beteiligten zugehen, für gemeinsam getragene Ziele sorgen und für ein drastisch erhöhtes Tempo.


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