Geklagt hatte eine Betreiberin mehrerer PV-Anlagen, die damit gegen eine Ablehnung des für sie zuständigen Hauptzollamtes vorging. In diesem Artikel möchten wir klären, wie es zu der Verhandlung kam, was das Ergebnis für Betreiber von Solaranlagen bedeutet und welche Handlungsempfehlung wir Anlagenbetreibern für die momentane Situation geben möchten.

Standortübergreifende Anlagenverklammerung

Klären wir zuerst, warum die PV-Anlagen der Betreiberin überhaupt als eine Anlage, als virtuelles Kraftwerk, angesehen wurden.

Die standortübergreifende Verklammerung wird im Rahmen der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes geregelt. Dort heißt es in § 12b:

(2) Stromerzeugungseinheiten an unterschiedlichen Standorten gelten als eine Anlage zur Stromerzeugung nach § 9 Absatz 1 Nummer 3 des Gesetzes, sofern

    1. die einzelnen Stromerzeugungseinheiten zum Zweck der Stromerzeugung zentral gesteuert werden; […] und

    2. der erzeugte Strom zumindest teilweise in das Versorgungsnetz eingespeist werden soll.

In der Praxis bedeutet das für Anlagenbetreiber, dass ihre PV-Anlagen, die Strom ins Netz einspeisen und über denselben Direktvermarkter laufen, als eine Anlage im Sinne des Stromsteuergesetzes angesehen werden, unabhängig davon, wo sie sich befinden. Bei kleineren Anlagen hat die Verklammerung für den Betreiber dieser Anlagen oft keine Konsequenzen. Die Anlagenverklammerung hat in der Praxis dann Konsequenzen, wenn das virtuelle Kraftwerk eine Leistung von 2 MW übersteigt. Denn dies ändert, nach welcher Vorschrift der Selbstverbrauch aus diesen Anlagen von der Stromsteuer befreit werden kann.

Befreiung von der Stromsteuer

Strom zum Selbstverbrauch ist nach § 9 Absatz 1 StromStG von der Stromsteuer befreit. Allerdings unterscheidet das Gesetz hierbei zwischen Anlagen mit einer Leistung bis zu 2 MW oder mehr als 2 MW. Genauer besagt § 9 Absatz 1 hier:

(1) Von der Steuer ist befreit:

1. Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und vom Betreiber der Anlage am Ort der Erzeugung zum Selbstverbrauch entnommen wird;

[…]

3. Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern oder in hocheffizienten KWK-Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird und der

a) vom Betreiber der Anlage als Eigenerzeuger im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage zum Selbstverbrauch entnommen wird oder

b) von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen;

Besteht nun der Fall, dass die PV-Anlagen eines Betreibers verklammert werden, deren Leistung jeweils geringer als 2 MW ist und nun in Summe eine Leistung von 2 MW erreichen, ergeben sich folgende Änderungen:

    1. Die verklammerte Anlage, die nun als virtuelles Kraftwerk mit einer Leistung von mehr als 2 MW angesehen wird, kann nicht mehr nach § 9 Absatz 1 Nummer 3 StromStG befreit werden.

    2. Die Stromlieferungen an Dritte, etwa Mieter bei einer PV-Dachanlage, kann nicht mehr von der Stromsteuer befreit werden.

    3. Der Ortsbegriff für den Selbstverbrauch von Strom ändert sich. Aus „im räumlichen Zusammenhang“ wird „vor Ort“.
      Aus dem dritten Punkt ergab sich nun ein Rechtsfall, der vom Finanzgericht Düsseldorf in erster Instanz geklärt wurde.


Betreiber vs. Hauptzollamt

Eigentlich hatte die Anlagenbetreiberin alles richtig gemacht: Sie wusste, dass ihre PV-Anlagen, mit Nennleistungen zwischen 100 und 200 kWp, die Voraussetzungen für eine standortübergreifende Verklammerung erfüllten, da sie einen Teil des erzeugten Stroms in das Netz einspeiste und über denselben Direktvermarkter verkaufen ließ.
Sie hatte bereits Stromsteuer für die Jahre 2020 und 2021 angemeldet und gezahlt, auch für den selbst verbrauchten Strom. Gleichzeitig beantragte sie dafür eine Entlastung nach § 12 c Absatz 1 StromStV in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG, da es sich durch die Verklammerung bei ihren kleineren Anlagen nun um eine Anlage mit einer Leistung von über 2 MW handelte.

Befreiung oder Entlastung

Die Befreiung der Stromsteuer muss nur einmal beantragt werden, möglichst vor Beginn der Inbetriebnahme. Ist sie genehmigt, müssen Betreiber für die befreiten Mengen keine Stromsteuer entrichten. Befreite Mengen sind:

  • Strom, der für den Selbstverbrauch entnommen wird
  • Strom zur Stromerzeugung
  • Lieferung an Dritte (bei Anlagen mit einer Nennleistung kleiner 2 MW)

Nun ist es aber nicht immer so, dass die Befreiung rechtzeitig beantragt oder genehmigt wird. Hat ein Betreiber Stromsteuer für eine Strommenge entrichtet, die befreit werden kann, so kann er eine Entlastung für diese Strommengen beantragen. Wird diese Entlastung genehmigt, erhält der Betreiber die zuvor errichtete Stromsteuer zurück.


Doch das für sie zuständige Hauptzollamt lehnte die Entlastung ab. Seine Begründung: Das Gesetz sieht eine Entlastung oder Befreiung der Stromsteuer nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG nur vor, wenn der Strom vor Ort selbst verbraucht wurde. Da es sich bei der verklammerten Anlage der Betreiberin aber um mehrere Anlagen handelt, gibt es nicht nur einen Ort, an dem der Strom zum Selbstverbrauch entnommen wird. Dagegen legte die Betreiberin Widerspruch ein und reichte schließlich die Klage ein.

Das Finanzgericht Düsseldorf gab ihr in dieser Sache recht und monierte, dass durch die Auslegung des Hauptzollamtes verklammerte Anlagen, die individuell eine Nennleistung unter 2 MW aufweisen, schlechter gestellt werden als unverklammerte Anlagen. Das sieht das Hauptzollamt allerdings anders und hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Nun liegt es am Bundesfinanzhof, diese Sache endgültig zu klären.

Wie macht man es als Anlagenbetreiber richtig? Was bedeutet die bisherige Entscheidung nun für PV-Anlagenbetreiber in einer ähnlichen Situation?

Anlagenbetreiber, die mehrere PV-Anlagen betreiben und den Strom über denselben Direktvermarkter einspeisen, sollten immer davon ausgehen, dass ihre Anlagen verklammert sind. Betreiber von Anlagen, die gemeinsam eine Leistung kleiner 2 MW haben, können ihren Selbstverbrauch oder Lieferungen an Dritte nach wie vor in nach § 9 Absatz 1 Nummer 3 StromStG befreien, sofern sie die festgelegten Bedingungen erfüllen.

Auch Anlagen, die eigenständig eine Nennleistung über 2 MW aufweisen, können unabhängig von einer vorliegenden Verklammerung weiterhin nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG befreit werden.

Die ausstehende Entscheidung des Bundesfinanzhofes betrifft vor allem Betreiber, die mehrere Anlagen mit Leistungen unter 2 MW betreiben, die verklammert die Leistungsgrenze von 2 MW überschreiten. Für diese Betreiber geben wir folgende Handlungsempfehlungen. Diese basieren auf unseren Praxiserfahrungen, ersetzen aber keine Rechtsberatung.

    1. Beantragen Sie eine Befreiung von der Stromsteuer nach § 12 c Absatz 1 StromStV in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nummer 1 StromStG.

    2. Auch wenn das Hauptzollamt in Falle des Gerichtsverfahrens die Entlastung (und damit wahrscheinlich auch eine Befreiung) nach diesem Paragrafen abgelehnt hat, ist es dennoch möglich, dass das für Sie zuständige Hauptzollamt die Befreiung genehmigt. In diesem Sinne können Sie auch Entlastungsanträge für bereits gezahlte Stromsteuer einreichen.

    3. Wird Ihr Antrag entsprechend der oben beschriebenen Begründung abgelehnt, empfehlen wir, dagegen Einspruch einzulegen, mit dem Verweis auf das offene Gerichtsverfahren.

    4. Wir empfehlen, bis zur Klärung des Verfahrens die Stromsteuer zu entrichten. Wird im Sinne der Klägerin entschieden, können Sie über den bereits gestellten Entlastungsantrag die gezahlten Steuern zurückerhalten. Entscheidet der Bundesfinanzhof im Sinne des Hauptzollamtes, ist die Stromsteuer bereits entrichtet und Sie müssen keine Nachzahlungen leisten.

Unabhängig von der Größe der Anlagen lohnt es sich, eine spezielle Software zu nutzen, die die rechtssichere Bearbeitung der Stromsteuer und anderer energiewirtschaftlichen Pflichten erleichtert.

Gute Nachrichten!

Im vorliegenden Referentenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht“ wird der § 12 b StromStV (Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes) neu gefasst und enthält einen vereinfachten Anlagenbegriff, der das Thema der Standortübergreifenden Anlagenverklammerung auflöst.

Da es sich hierbei um einen Referentenentwurf handelt, steht das Gesetzgebungsverfahren noch am Anfang. Unsere Hoffnung ist aber, dass die Änderung wie geplant zum 01.01.2025 in Kraft tritt.



Über die Autor*innen

B. Sc. Paulina Würth, Jahrgang 1990, machte ihren Abschluss an der HS Bonn-Rhein-Sieg im Fach Technikjournalisumus/PR. Sie ist seit über einem Jahr zuständig für den Blog von node.energy und schreibt für diesen Fachartikel zu allen Themen rund um die Erneuerbaren Energien.

Lars Wich-Glasen ist gelernter Bankkaufmann und studierte BWL an der Berufsakademie Dresden. Seit 2007 ist er im Bereich Erneuerbare Energien tätig. Für node.energy ist er seit Anfang 2022 tätig. Als Business Analyst kennt er sich mit aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für Betreiber von Wind- und PV-Anlagen bestens aus.

 

Dieser Beitrag erscheint in der Photovoltaik-Sonderausgabe des BWE-BetreiberBriefs 1/2024.