Beruflich in der Windenergie tätig und einen Bachelor in Naturwissenschaft, Mathematik oder Ingenieurswesen? Dann bietet die Universität Kassel einen berufsbegleitenden Master, der weltweit zu den wenigen auf Windkraft spezialisierten Studiengängen zählt. Der 100 % Online-Unterricht erfolgt in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE). Ziel ist die Master-Ausbildung von Windenergie-Ingenieur*innen für Forschung und Industrie. Alternativ können auch einzelne Module und mittelgroße Modulcluster, sogenannte Diploma of Advanced Studies (DAS), belegt werden.

Viele Studierende wollen mit der Weiterbildung ihre Karriere voranbringen. Prof. Dr.-Ing. habil. Detlef Kuhl, akademischer Leiter des Masterstudiengangs Wind Energy Systems, spricht im Interview über Studieninhalte, den Umfang des Studiums und die praktische Umsetzung.

 

Geben Sie uns einen kurzen Einblick in den Studiengang – wer unterrichtet bei Ihnen?

Detlef Kuhl: Die Lehrenden sind meiner Meinung nach ein guter Mix aus Grundlage und Transfer. Da sind zum einen die Wissenschaftler*innen aus der angewandten Forschung, vom Fraunhofer-Institut IEE in Kassel. Sie beschäftigen sich vor allem mit der Elektrotechnik von Windenergieanlagen, der Gondeltechnik und der Netzeinspeisung, sowie mit der Windmessung und Windstudien im Bereich Energieertragsprognose.

Zum anderen sind Expert*innen aus der Windkraftindustrie beteiligt, die bei uns als Honorarkräfte tätig sind. Die dritte Gruppe schließlich bilden die Grundlagenforschenden und Lehrenden von der Universität Kassel. Sie kommen aus dem Bereich Maschinenbau, Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen und Mathematik und forschen und lehren zu den Themen Simulationsmethoden, also Fluid- und Festkörpermechanik, außerdem Kunststofftechnik für Rotorblätter, Gründung und zuletzt zur Turmtechnologie, wobei diese Lehrendenstelle aktuell unbesetzt ist.

An wen richtet sich der Studiengang? Wer studiert bei Ihnen?

Der Studiengang richtet sich grundsätzlich an Studierende, die bereits einen Ingenieur-, Mathe- oder Naturwissenschafts-Bachelor innehaben. Die Prüfungsordnung gibt uns aber auch die Möglichkeit, Absolvent*innen anderer Studiengänge zuzulassen, wenn es dort einen gewissen Anteil an technischen Inhalten und Mathematik gab. Das wird dann individuell geprüft. Verpflichtend ist, dass man bereits ein Jahr Berufspraxis gesammelt haben muss, um zugelassen zu werden. Außerdem ist ein Nachweis eines B2 Sprachniveaus in Englisch Pflicht.

Die Studierenden kommen aus dem In- und Ausland. Wer Deutsch spricht, kann auf Deutsch seine Prüfungen ablegen, aber grundsätzlich sind unsere Unterrichtsmaterialien, die Online-Meetings und die Prüfungen in Englisch. Dadurch sind die Studierenden weltweit verstreut, sie kommen aus fünf Kontinenten. Die internationalen Studierenden wollen entweder später auf dem deutschen Markt Fuß fassen oder, vor allem in Ländern, in denen die Windkraft verbreitet oder ein neues Thema des Energiewandels ist, von der deutschen Ingenieurswissenschaft lernen.

Was ist die Motivation der anderen?

Da es sich bei dem Studiengang um eine Weiterbildung handelt, sind hier die Altersstruktur und das berufliche Profil ganz spannend. Wir haben recht junge Ingenieur*innen, die etwa seit zwei, drei Jahren in der Berufspraxis sind und sich weiter qualifizieren möchten. Sie streben bessere Karrieremöglichkeiten, höhere Fachkompetenz und schließlich auch ein höheres Gehalt an.

Und wir haben Studierende, die sich beruflich neuorientieren möchten, zum Beispiel von der Ölindustrie in die erneuerbaren Energien wechseln möchten. Was wir mitbekommen ist, dass die Windindustrie ihre Erfahrungen sehr schätzt. Die Studierenden haben den Studiengang noch gar nicht abgeschlossen und haben schon Angebote, um zu wechseln. Zusammenfassend kann man sagen: Ingenieurinnen und Ingenieure sind auch in der Windindustrie stark gefragt. Ich kann auf LinkedIn sehen: Diejenigen, die vorher nicht in der Windkraft tätig waren, steigen dort spätestens nach dem Studium ein, zum Beispiel im Bereich Elektrotechnik oder in den Windenergieanlagen selbst. Ein ehemaliger Student ist jetzt auch Dozent bei uns, was zeigt, dass die Leute gerne hier studieren.

Muss man fürs Studium nach Kassel ziehen?

Nein, Kassel ist zwar wunderschön, aber der verpflichtende Studieninhalt ist 100 % online. Es gibt jedes Jahr eine Praxiswoche vor Ort, die Teilnahme ist jedoch freiwillig.

Wie hoch ist der Aufwand für den Master?

Detlef Kuhl: Der Aufwand für ein Studium wird heutzutage in sogenannten Credits gemessen. Ein Credit entspricht circa 25 bis 30 Arbeitsstunden bei den Studierenden, dazu zählen Veranstaltungsbesuch, Vorbereitung, Nachbearbeitung, Prüfungsleistungen etc. Unser Studiengang beinhaltet wie die meisten Masters in Deutschland insgesamt 120 Credits. Studiert man Vollzeit, dauert das circa 2 Jahre. Bei uns studieren die meisten Teilzeit, neben dem Beruf, und brauchen im Schnitt zwischen drei und fünf Jahren.

Wie hoch ist der Praxisanteil im Studium?

Das können sich die Studierenden zum größten Teil selbst auswählen. 30 der 120 Credits, also ein Viertel, ist der Grundlagenbereich in den beiden ersten Semestern. Dann wählen die Studierende frei aus den Inhalten unserer beiden Spezialisierungen, einmal Elektrotechnik-orientiert und einmal Struktur-orientiert, letzteres heißt Mechanik, Fluidmechanik und Technologie von Türmen, Gründung und Rotorblättern. In der Elektrotechnik-orientierten Spezialisierung geht es beispielsweise um Aspekte der Energiemeteorologie, der Planung, Konstruktion und des Betriebs von Windenergieanlagen und Windparks sowie deren Netzintegration. Darüber hinaus können Schlüsselkompetenzen erworben werden wie Grundlagen des Energie- und Vertragsrechts, der Betriebswirtschaft oder des Projektmanagement im Kontext der Windenergie. Insgesamt sind das weitere 60 Credits.

Wir haben ein Überangebot an Modulen, heißt die Studierenden haben eine echte Wahl und können sich den Inhalt selbst zusammenstellen. Das ist nicht bei allen Studiengängen in Deutschland so, aber bei uns können Studierende das Studium an ihre individuellen Bedürfnisse und ihr geplantes berufliches Profil anpassen.

Und die restlichen 30 Credits?

Dies ist dann die Masterarbeit. Die meisten Studierenden machen das in Kooperation mit der Fraunhofer-Gesellschaft, also angewandte Forschung in Testzentren oder in Laboren. Ich finde, unsere Partner bieten da eine exzellente Mischung aus Praxisnähe und Wissenschaftlichkeit.

Zudem gibt es einige Studierende, die ihre Abschlussarbeit in Kooperation mit ihrem aktuellen Arbeitgeber in ihrer Firma schreiben, weil diese gerne interne Projekte von Mitarbeitenden erforschen lassen. Alternativ können wir auch Studierende an Industriepartner vermitteln. Für diese Industriekooperationen bin ich immer sehr dankbar. Reine Grundlagenforschungs-Arbeiten gibt es bei uns nur selten, sie werden vorzugweise von Studierenden gewählt, die im Anschluss an das Studium eine Promotion anstreben.

Wie kann man sich einen typischen Wochen-Stundenplan vorstellen?

Detlef Kuhl: Wir haben tatsächlich etwas weniger Präsenzzeit als in regulären On-Campus-Studiengängen, dafür etwas mehr durch Lernmaterialien unterstützte Selbstlernphasen.

In der Regel trifft man sich pro Modul einmal die Woche online und arbeitet zwischen den Sitzungen anhand der Lernmaterialien, die zur Verfügung gestellt werden: Reader, online Präsentationen oder aufgenommene Videos der Dozierenden. Per Mail oder über eine Lernplattform kann man Fragen an die Lehrenden loswerden, die dann auch in der Regel zügig beantwortet werden.

Die angesprochenen wöchentlichen Treffen sind im Wesentlichen dafür da, offene Fragen zu klären, Hausaufgaben zu besprechen, Case-Studies zu vergeben beziehungsweise zu besprechen oder Prüfungen abzulegen. Insgesamt hat man in der Regel zwei bis drei Online-Treffen die Woche. Da die meisten Studierende berufstätig sind, sind die Treffen häufig in den frühen Abendstunden, also von 17 bis 20 Uhr. Das ist aus Umfragen unter den Studierenden hervorgegangen. Wichtig war uns, dass neben den Berufstätigen auch Menschen, die andere Pflichten haben, Kinderpflichten, Pflegepflichten, auch studieren können. Deshalb haben die Lernmaterialien und Selbstlernphasen einen so großen Anteil, weil man hier flexibel seine Inhalte über die Woche verteilen kann.

Apropos Flexibilität: Was gehört noch dazu?

Ich kann die von uns angebotenen Weiterbildungsseminare auch dann besuchen, wenn ich keinen Master machen möchte. Zum Beispiel für einzelne Aspekte elektrischer Systeme. Dann besuche ich nur die dazugehörigen Module und bekomme dafür ein Diploma of Advanced Studies (DAS). Von diesen DAS gibt es insgesamt acht zu unterschiedlichen Themen. Das machen beispielsweise Studierende, die das eine Jahr verpflichtende Berufspraxis oder den Englischnachweis noch nicht haben und anschließend mit dem Masterstudium beginnen wollen. Oder Interessierte aus der Praxis, die sich fortbilden wollen. 

Lassen Sie uns über Geld sprechen. So ein Weiterbildungs-Master kostet etwas.

Weiterbildungs-Master wie der unsere müssen in Deutschland tatsächlich Geld kosten nach dem Gesetz, und zwar so, dass sie kostendeckend sind. Der gesamte Master kostet für die 120 Credits 14.000 Euro und kann in Raten von 2.000 Euro, die die ersten siebten Semester immer am Semesterbeginn fällig werden, bezahlt werden. Die meisten Studierenden bezahlen das, weil sie mit dem Masterabschluss einen Jobwechsel bzw. bessere Optionen in der eigenen Firma planen.

Wenn ich nicht den ganzen Studiengang studieren möchte, sondern nur ein einzelnes Diploma of Advanced Studies mit 30 Credits abschließen möchte, bezahle ich dafür 6.000 Euro, optional in zwei Raten, jeweils einmal pro Semester. Wer mehrere DAS absolviert und am Schluss doch den Master macht, der zahlt ebenfalls maximal 14.000 Euro.

Was mache ich, wenn ich anfange zu studieren, und merke, das ist doch nichts für mich?

Im Masterprogramm und in den DAS zahlt man nur für die angefangenen Semester.  Die Abmeldung ist unbürokratisch und für die Folgesemester fallen keine Kosten an. Wer im Voraus mehr bezahlt hat, der erhält den Restbetrag selbstverständlich rückerstattet.

Wer jetzt überlegt, Wind Energy Systems in Kassel zu studieren: Wie sieht das Bewerbungsverfahren aus und welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um für den Studiengang zugelassen zu werden?

Den verpflichtenden Bachelor in Naturwissenschaft, Mathematik oder Ingenieurswesen, die einjährige Berufserfahrung und den B2-Englischnachweis habe ich bereits erwähnt. Wer seinen Bachelor in Deutschland gemacht hat, der bewirbt sich direkt bei der Universität Kassel digital. Der Bewerbungsprozess ist tatsächlich recht unkompliziert: Eine Online-Bewerbung an der Uni Kassel einzureichen, dauert etwa eine halbe Stunde und es gibt keine Fallstricke oder so.

Wer aus dem Ausland kommt, der bewirbt sich über das deutschlandweite Uni-Assist. Weil das nicht über uns läuft, bieten wir diesen Studieninteressierten aber Unterstützung durch unsere Studiengangs-Koordinatorinnen und Koordinatoren an.

Was ist das Material, das ich mir noch anschauen sollte, wenn ich mir das Studium überlege?

Es gibt eine Präsenz auf der Seite der Universität Kassel. Da steht im Wesentlichen alles drin, der Modulaufbau, der Studienaufbau, die Ziele des Studiums, auch die Anforderungen. Interessierten würde ich immer empfehlen, das Modulhandbuch zu lesen. Vielleicht nicht jedes Wort, aber zumindest mal durchblättern, ob das Studium wirklich dem entspricht, was man sich vorstellt.

Wer unsicher ist, kann sich jederzeit per E-Mail an mich wenden oder zu einer Online-Sprechstunde kommen, die ebenfalls auf der Webpage angekündigt ist, und sich einfach mal an das Organisationsteam wenden. Wer noch mehr zu den Inhalten wissen möchte, findet weitere Infos auch in unserem Erklärfilm.


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