Könnten Sie zunächst kurz erläutern, was der Data Act ist und welche Ziele er verfolgt?

Martin Schirmbacher: Der Data Act der Europäischen Union ist eine Verordnung, die darauf abzielt, die Nutzung und den Zugang zu Daten zu regulieren, die während des Betriebs vernetzter Produkte anfallen. Ziel ist es, Transparenz und Zugang zu diesen Daten für Nutzer zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Daten nur mit expliziter Zustimmung genutzt werden. Der Data Act gilt gleichermaßen für Daten mit und ohne Personenbezug und hat vor allem Maschinendaten im Blick.

Ab wann gilt der Data Act?

Martin Schirmbacher: Der Data Act ist eine EU-Verordnung, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt. Er ist bereits in Kraft und wird im September 2025 wirksam. Das hört sich viel an, vor allem für Hersteller vernetzter Produkte kann das aber zu wenig sein, wenn an den Endgeräten Anpassungen vorgenommen oder Datenzugangsmöglichkeiten geschaffen werden müssen.

Welche Daten, die vom Data Act betroffen sein können, fallen denn typischerweise bei Windenergieanlagen an und wie werden diese bisher genutzt?

Martin Schirmbacher: Letztlich geht es um alle Daten, die bei dem Betrieb einer Windkraftanlage anfallen und an den Hersteller übermittelt werden: Leistungsdaten, Betriebsdaten, Umweltdaten und auch Fehler- und Diagnosedaten. Diese Daten werden häufig in Echtzeit an den Hersteller übermittelt, um die Anlagenleistung zu überwachen und zu optimieren. Für Betreiber ist das bisher teilweise eine Blackbox – was der Data Act gerade aufbrechen möchte.

Wie verändert der Data Act die Nutzung dieser Daten?

Martin Schirmbacher: Der Data Act gibt den Betreibern das Recht auf Zugang zu allen während des Betriebs erzeugten Daten. Hersteller dürfen diese Daten nur noch mit einer expliziten Datenlizenzvereinbarung nutzen. Dies erfordert neue technische Anpassungen, damit die Daten in einem zugänglichen Format bereitgestellt werden können.

Welche Herausforderungen sehen Sie für Hersteller von Windenergieanlagen in Bezug auf den Data Act?

Martin Schirmbacher: Hersteller müssen ihre Systeme anpassen, um den geforderten Datenzugang zu ermöglichen. Wenn eine Bereitstellung aller abfließenden Daten unmittelbar an der Anlage oder über ein webbasiertes Dashboard nicht möglich ist, muss das kurzfristig anderweitig umgesetzt werden. Grundvoraussetzung ist aber, dass die Hersteller zunächst einen genauen Überblick bekommen, welche Daten überhaupt erhoben werden – es braucht also eine Art Dateninventur. Außerdem sind frühzeitig Datenlizenzvereinbarungen mit den Betreibern abzuschließen, damit die Hersteller die Daten selbst weiter nutzen können. Diese Anpassungen sind technisch und organisatorisch anspruchsvoll.

Gibt es auch Chancen, die der Data Act für Hersteller bieten könnte?

Martin Schirmbacher: Absolut. Der Data Act kann die Grundlage für neue, datengetriebene Geschäftsmodelle schaffen. Für Hersteller eröffnet dies neue Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Produkte und Dienstleistungen. Sie können die Beschäftigung mit den anfallenden Daten aber auch dazu nutzen, neue datengetriebene Businessmodelle zu entwickeln und ihren Kunden anzubieten.

Welche Vorteile sehen Sie für die Betreiber von Windenergieanlagen durch den Data Act?

Martin Schirmbacher: Die Betreiber sind die eigentlichen Nutznießer des Data Acts. Sie erhalten Anspruch auf die an ihren Anlagen anfallenden Daten, was ihnen eine größere Kontrolle und Transparenz über den Betrieb ihrer Windparks gibt. Dadurch können sie fundiertere Entscheidungen treffen, die Effizienz ihrer Anlagen steigern und proaktiv Wartungsmaßnahmen planen. Letztendlich führt dies zu einer verbesserten Betriebszeit und Kostenreduktion. Eine Chance ist der Data Act übrigens auch für Service-Anbieter, die Angebote an Betreiber machen können, um Zugriff auf möglichst viele Daten auch von verschiedenen Herstellern zu bekommen, die wiederum in einem eigenen Geschäftsmodell münden können.

Was sollten Hersteller jetzt konkret unternehmen, um sich auf den Data Act vorzubereiten?

Martin Schirmbacher: Hersteller sollten eine detaillierte Analyse ihrer Datenströme durchführen, ihre Systeme technisch anpassen und frühzeitig Datenlizenzvereinbarungen mit den Nutzern abschließen. Es ist wichtig, dass sie ihre Nutzer über deren neue Rechte informieren und geeignete Schnittstellen für den Datenzugang bereitstellen.

Wie schätzen Sie die langfristigen Auswirkungen des Data Acts auf die Windenergiebranche ein?

Martin Schirmbacher: Langfristig wird der Data Act die Branche transparenter und datengetriebener machen. Betreiber werden mehr Kontrolle über ihre Daten haben, was zu effizienteren und zuverlässigeren Windenergieanlagen führen kann. Für Hersteller bedeutet dies eine Anpassung an neue rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch die Chance, innovative Lösungen zu entwickeln.

Dieser Beitrag erscheint im BWE-BetreiberBrief 2/2024.

 


Passend zum Thema: