Im ersten Schritt ist zu erwägen, ob der Netzbetreiber ein neues UW errichten und zur Verfügung stellen muss. Die Folge wäre ggf. aber, dass der Anlagenbetreiber eine lange Kabeltrasse zu diesem UW verlegen müsste. Zu beachten ist dabei, dass die Kosten der Kabeltrasse Netzanschlusskosten sind, da diese von der Anlage bis zum Netzverknüpfungspunkt im UW führte. Derartige Netzanschlusskosten sind aber vom Anlagenbetreiber zu zahlen, § 16 EEG 2023. Man merke also: Es wird teuer! Überdies wäre eine Flächensicherung für die komplette Kabeltrasse erforderlich. Möglicherweise scheidet der Neubau eines netzbetreibereigenen UWs aber auch aus, wenn ein neues UW des Netzbetreibers ersichtlich teurer wäre als der Anschluss an einem anlagenbetreibereigenen UW.

Daher suchen zahlreiche Anlagenbetreiber nach alternativen Möglichkeiten. Denn oftmals haben andere Anlagenbetreiber in der Nähe das gleiche Problem. Hier ist eine Kooperation der Betreiber zwecks Bau und Betrieb eines anlagenbetreibereigenen UWs in Erwägung zu ziehen. Jedoch gibt es diverse Aspekte, die hierbei zu berücksichtigen sind.

Stolpersteine gibt es insbesondere im Hinblick auf die Flächensicherung. Der sicherste Weg wäre, das UW-Grundstück zu erwerben, um „Herr im eigenen Haus“ zu sein. Denn dann ist der Abschluss von schuldrechtlichen Nutzungsverträgen oder anderen vertraglichen Vereinbarungen mit dem Grundstückseigentümer nicht mehr notwendig. Insofern fielen hier die Risiken der ordentlichen Kündbarkeit von Nutzungsverträgen oder das Erfordernis der Bestellung von Dienstbarkeiten für Dritte durch den nicht mit dem UW-Betreiber identischen Grundstückseigentümer weg.

Sollte dieser sicherste Weg nicht beschritten werden können – etwa, weil der Eigentümer nicht verkaufen will oder der Preis zu hoch wäre – kommen folgende Varianten in Betracht: Ein schuldrechtlicher Nutzungsvertrag, ein Dienstbarkeitsbestellungsvertrag oder ein Erbbaurechtsvertrag.

 

Ein schuldrechtlicher Nutzungsvertrag weist zahlreiche Nachteile auf

Er ist begrenzt auf 30 Jahre Festlaufzeit ab Überlassung des UW-Grundstücks. Denn der Nutzungsvertrag über ein UW-Grundstück hat einen mietrechtlichen Schwerpunkt. Es greift daher die Vorschrift des § 544 S. 1 BGB. Wird danach ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen, so kann jede Vertragspartei nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen. Die „Überlassung“ des UW-Grundstücks als Mietsache ist zwar noch nicht mit Vertragsschluss, wohl aber mit Baubeginn. 30 Jahre Festlaufzeit ab Baubeginn deckt die „Lebenserwartung“ des UW von 60, 80 oder gar 100 Jahren nicht ab. Es fehlt daher an der langfristigen Planbarkeit für den UW-Betreiber.

Überdies muss in einem schuldrechtlichen Nutzungsvertrag die Untervermietung explizit erlaubt sein, denn oftmals will der Anlagenbetreiber als Pächter des UW-Grundstücks das UW nicht alleine nutzen, sondern mit anderen Anlagenbetreibern gemeinsam. Rechtlich ist dies eine Untervermietung des UW-Grundstücks. Die Untervermietung ist erlaubnispflichtig, was sich aus § 540 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt. Der Mieter ist ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiterzuvermieten. Eine Untervermietung ohne Erlaubnis des Vermieters ist eine Pflichtverletzung. Diese wiederum berechtigt zur Kündigung des Nutzungsvertrages durch den Vermieter.

Ein weiterer Nachteil des schuldrechtlichen Nutzungsvertrages ist die unzureichende dingliche Sicherung der „Unternutzer“: Der Mieter des UW-Grundstücks kann nicht „aus eigenem Recht“ zugunsten etwaiger Unternutzer dingliche Sicherungen in Gestalt von Dienstbarkeiten verschaffen. Es ist daher ein Vehikel erforderlich, sprich eine Verpflichtung des Grundstückseigentümers im Nutzungsvertrag, etwaigen Unternutzern die gleichen dinglichen Rechte wie dem Nutzer zu gewähren – umständlich.

 

Alternativen

Die zweite Variante, ein Dienstbarkeitsbestellungsvertrag ist schon ein wenig besser als ein – nur – schuldrechtlicher Nutzungsvertrag. Denn er weist den Vorteil auf, dass er nicht auf 30 Jahre Festlaufzeit begrenzt ist. Die Nachteile sind aber ähnlich wie beim Nutzungsvertrag: Die Unternutzung muss ausdrücklich vereinbart werden und die dingliche Sicherung der Unternutzer ist schwierig. Und Achtung: Nicht überall, wo „Dienstbarkeitsbestellungsvertrag“ draufsteht, steckt auch ein solcher drin: Es zählt nicht die Bezeichnung, sondern der Inhalt: Es muss darauf geachtet werden, dass es sich nicht um einen Nutzungsvertrag „im anderen Gewand“ handelt, denn sonst gelten die Regelungen über diesen – und die damit verbundenen Nachteile.

Die dritte Variante, ein Erbbaurechtsvertrag, ist unseres Erachtens die beste Alternative zum Erwerb des UW-Grundstücks. Denn auch er weist den Vorteil auf, dass keine Begrenzung auf 30 Jahre Festlaufzeit existiert. Im Vergleich zum schuldrechtlichen Nutzungsvertrag und einem Dienstbarkeitsbestellungsvertrag ist jedoch die Unternutzung möglich. Es gilt der Grundsatz: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt.“ Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn eine Klausel im Erbbaurechtsvertrag enthalten ist, die die Fremdvermietung an die Zustimmung des Erbbaurechtsgebers knüpft. Weiterer Vorteil ist, dass die Möglichkeit der Bestellung von Dienstbarkeiten durch den Erbbauberechtigten selbst besteht.

 

Die nächsten Schritte

Unterstellt, die Fläche ist optimal gesichert, gilt es sich zu fragen, wie das UW zu errichten ist. Dies nicht nur bautechnisch, sondern auch rechtlich im Hinblick auf die Konfiguration des UW bezogen auf netzausbaubedingte Abregelungen. Hintergrund ist, dass oftmals nicht nur das netzbetreibereigene UW voll ist, sondern auch das Netz hinter dem UW. Der Netzbetreiber kündigt daher im Vorfeld bereits an, dass er das Netz zwar ausbauen wird, er aber Abschaltungen/Regelungen/gedrosselte Einspeisungen während der Netzausbauarbeiten vornehmen wird. Sind diese Schaltungen wohlmöglich schon bei der Konzeption des Umspannwerks zu berücksichtigen? Ja! Denn:

Ausgangspunkt ist der Redispatch 2.0.; in Kraft seit dem 01.10.2021. Dieser schuf in den §§ 13, 13a EnWG ein einheitliches Netzengpassregime. Der finanzielle Ausgleich setzt danach – anders als die ehemalige Härtefallregelung in § 15 Abs. 1 EEG 2017 – nicht mehr an der Regelung der Einspeiseleistung wegen eines Netzengpasses an. Ansatzpunkt ist nunmehr die Beseitigung einer Gefährdung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems, § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EnWG. Dennoch dürfte die Rechtsprechung des BGH zu Netzengpässen nach wie vor anwendbar sein, da die Nachfolgeregelungen zum Redispatch 2.0 eher sogar weiter gefasst sind als die „Ex-EisMan-Regelungen“ des EEG. Relevant sind insbesondere zwei BGH-Urteile, ein Urteil vom 11.02.2020, Az. XIII ZR 27/19, sowie ein Urteil vom 26.01.2021, Az. XIII ZR 17/19. Kernaussage der BGH-Urteile ist, dass ein Netzengpass nicht nur dann vorliegen kann, wenn „vorne zu viel Energie hereinkommt“, sondern auch dann, wenn „hinten zu wenig herausgeht“, also eine verringerte Ausspeisung stattfindet. Eine verringerte Ausspeisung kann durch Netzausbauarbeiten bedingt sein. Also ist ein Netzengpass auch bei Netzausbauarbeiten möglich.

Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Laut BGH liegt nicht in jedem Fall der – vollständigen – Einspeiseunterbrechung ein Netzengpass vor. Ist gerade das Betriebsmittel, über das die EE-Anlage einspeist, z. B. die Zuleitung des Windparks zum Netz, außer Funktion gesetzt, kann eine Stromeinspeisung unabhängig von der Netzkapazität ohnehin nicht erfolgen. Also fehlt es an der Kausalität eines Netzengpasses für die unterbliebene Stromeinspeisung. Die Erstattungsfähigkeit scheiterte. Daher muss im Bauablauf stets sichergestellt werden, dass kontinuierlich eine Einspeisemöglichkeit besteht. Hier schließt sich der Kreis zum UW: Es ist eine zweisystemige Anwendung des UW erforderlich.

Was ist Hintergrund dieser zweisystemigen Anbindung? Das UW ist regelmäßig angebunden über einen 110 kV-Mast. Der 110 kV-Mast hat zwei „Arme“, jeder „Arm“ hat drei Leiterseile, sprich ein System. Möglich ist also eine einsystemige Anwendung über nur einen „Arm“ oder die zweisystemige Anwendung über beide „Arme“, z. B. über eine Mittelspannungs-Doppelsammelschiene. Bei der zweisystemigen Anwendung kann über einen Schalter/Trenner zwischen den Systemen gewechselt werden. So wird eine alternative Einspeisemöglichkeit eröffnet und der Weg in die Erstattungsfähigkeit von abgeregelten Strommengen freigemacht.

 

Aber Achtung:

Hat der Anlagenbetreiber hier vielleicht die Rechnung ohne den sprichwörtlichen Wirt gemacht? Vielleicht will der Netzbetreiber keine zweisystemige Anwendung des UW. Hintergrund hierfür ist keine Bösartigkeit des Netzbetreibers, sondern dessen berechtigte oder unberechtigte Angst vor Fehlsteuerungen des Schalters/Trenners durch den Anlagenbetreiber. Dieser Angst kann dadurch begegnet werden, dass dem Netzbetreiber die Schalthoheit über den Schalter/Trenner eingeräumt wird.

Zwar ist anzumerken, dass die Rechtsprechung des BGH zu bereits in Betrieb genommenen Anlagen erging. Man könnte sich fragen, ob ein anderes Ergebnis zu zeitigen ist bei noch ausstehender Inbetriebnahme mit bereits angekündigter Abregelung. Dagegen spricht jedoch, dass laut BGH auch vorhersehbare Reduzierungen der Netzkapazität erfasst werden, die durch geplante Baumaßnahmen entstehen. Auch das Oberlandesgericht Hamm geht in einem Urteil vom 16.01.2015, Az. I-7 U42/04 von einer Erstattung auch bei Netzauslastung von Beginn an und Kenntnis des Anlagenbetreibers hiervon aus. Dennoch bestehen Restrisiken sowie Unsicherheiten und Fallstricke bei der Ausgestaltung im Einzelnen. Im Zweifel empfiehlt es sich hier, Rechtsrat einzuholen.

 

Über die Autorin:

Katharina Vieweg-Puschmann, LL.M., Jahrgang 1983, Jurastudium an der Universität zu Köln und der Université de Paris I (Panthéon-Sorbonne). 2010 – 2013 Tätigkeit in einer internationalen Wirtschaftskanzlei im Energierecht und Energiekartellrecht. Seit 2013 Tätigkeit in der auf das Recht der Erneuerbaren Energien spezialisierten Kanzlei Engemann & Partner in Lippstadt.

Dieser Artikel erscheint im BetreiberBrief 3–2024.

 


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